Liebe Leserinnen und Leser, | | mehrere Telefonate und auch Reisen seines Sondergesandten nach Moskau haben nichts gebracht: US-Präsident Donald Trump scheint mittlerweile zu dem Schluss gekommen zu sein, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die größte Hürde ist, die er zum Frieden in der Ukraine nehmen muss. Anders ist sein Handeln und seine Wortwahl in den vergangenen Wochen nicht zu erklären. | | Falls Trump allerdings glaube, dass diplomatische Versuche gescheitert seien, täusche er sich, schreibt Politikwissenschaftler Samuel Charap, der ein Buch über die Ukraine und die Post-Sowjetära verfasst hat, in einem Gastbeitrag in der „New York Times". Ein paar Telefonate und Besuche seien nicht genug, um überhaupt von echten Verhandlungen zu sprechen. | | Was nötig wäre, sei ein Prozess, der Kompromisse von allen Seiten erfordere. „Niemand – vielleicht nicht mal Putin selbst – weiß, was er akzeptieren würde", schreibt Charap. „Bevor er nicht in solch einem Prozess auf die Probe gestellt wurde, können wir nicht sicher sein, ob er unter jeglichen Umständen weiterkämpfen lassen würde." | | Charap nennt das Beispiel des früheren US-Außenministers Henry Kissinger, der nach dem arabisch-israelischen Krieg 1973 eine „Shuttle-Diplomatie" betrieb, indem er Dutzende Male zwischen Ägypten, Syrien und Israel hin- und herflog, um zwischen den Parteien zu vermitteln. „Das zeigt, dass Trump ein professionelles Team von Verhandlern aufbauen muss, das die Konfliktparteien regelmäßig trifft", schreibt Charap. | | Trump selbst müsste sich aus dem Prozess herausnehmen, seine Verhandler machen lassen und nur eingreifen, wenn die Verhandlungen festgefahren wären oder sich dem Ende näherten. Denn ein US-Präsident könne, so schreib es Charap, einen solch aufwendigen diplomatischen Prozess nicht jeden Tag managen. | | Aus Charaps Sicht hat Trump mit der Wiederaufnahme der Gespräche zwischen russischen und ukrainischen Delegationen in Istanbul schon einen Fortschritt erzielt. Diese Verhandlungen führten in allen drei Fällen zum Austausch von mittlerweile insgesamt Tausenden Gefangenen. Allerdings hätten Verhandlungen, die zu einem Kriegsende führen könnten, noch gar nicht begonnen. | | Mit einem neuen diplomatischen Ansatz könnten die USA dafür sorgen, dass Russland und die Ukraine eine Rahmenvereinbarung schaffen, die zuletzt an den völlig unterschiedlichen Vorstellungen scheiterte. Mit der Gewissheit, wohin Friedensgespräche führen würden, könnte Putin einer Waffenruhe zustimmen, die er bislang strikt abgelehnt hat, schreibt Charap. | | Doch selbst wenn es tatsächlich so kommen sollte, lehrt ein Blick in die Geschichte: Bis zu einem echten Friedensdeal dürfte es Jahre dauern. | | Der Tagesspiegel im Überblick: Lernen Sie unsere Berichterstattung kennen – 6 Wochen lang für 1 €. Erhalten Sie Zugang zu sorgfältig recherchierten Inhalten, Reportagen und Analysen zu aktuellen Themen aus Berlin und der Welt. Monatlich stehen Ihnen über 1.000 exklusive Artikel zur Verfügung. Jetzt im Probe-Abo entdecken | | | | Die wichtigsten Nachrichten des Tages | | • | Die dritte Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul endete diese Woche – wie erwartet – ohne großes Ergebnis. Der frühere ukrainische Oberbefehlshaber und heutige Botschafter in Großbritannien, Walerij Saluschnyj, glaubt, dass der Krieg noch rund zehn Jahre dauern könnte. Das sagte er dem ukrainischen Medium „LB.ua". Mehr dazu hier. | • | Elon Musk soll im September 2022 gezielt die Starlink-Internetverbindung in strategisch wichtigen Gebieten der Ukraine unterbrochen haben und damit eine laufende Gegenoffensive gegen russische Truppen gestört haben. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf drei mit dem Vorgang vertraute Personen. Mehr dazu im Newsblog. | • | Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Finanzbedarf seines von Russland angegriffenen Landes auf umgerechnet über 55 Milliarden Euro jährlich beziffert. Selenskyj strebt deshalb an, dass der Sold der ukrainischen Soldaten aus dem Ausland finanziert wird. Soldaten im Fronteinsatz erhalten umgerechnet etwas über 2400 Euro Sold brutto. | • | Unterhändler aus Russland und der Ukraine haben nach Angaben Selenskyjs Gespräche über ein mögliches Treffen des ukrainischen Staatsoberhaupts mit seinem russischen Kollegen Putin begonnen. „Wir müssen den Krieg beenden und das beginnt vermutlich mit einem Treffen der Anführer", hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung. | • | Das ukrainische Parlament wird am kommenden Donnerstag über ein von Präsident Selenskyj eingereichtes Gesetz zur Arbeit der Anti-Korruptionsorgane abstimmen. Die Novelle solle sofort in Eilform angenommen werden, schrieb Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk bei Facebook. Nach Protesten hatte Selenskyj gestern einen Entwurf im Parlament eingereicht, der die Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden wieder herstellt. | • | Nach den Protesten gegen die Beschränkung von Antikorruptionsbehörden in der Ukraine hat Selenskyj seine Bereitschaft zu Änderungen betont. Um einen russischen Einfluss in den staatlichen Stellen auszuschließen, sollen aber alle Mitarbeiter mit Zugang zu Staatsgeheimnissen Lügendetektortests unterzogen werden, kündigte Selenskyj in einer Videobotschaft an. „Und das müssen regelmäßige Kontrollen sein", sagte er. | • | Die USA haben eine Waffenlieferung an die Ukraine im Wert von insgesamt 322 Millionen Dollar (rund 275 Millionen Euro) gebilligt. Das Paket umfasse Ausrüstung für Hawk-Flugabwehrraketen sowie gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Bradley, hieß es in einer Erklärung der US-Behörde für die Verteidigungszusammenarbeit (DSCA) in Washington. | • | Der Kommandeur eines Bataillons für unbemannte Systeme, Mykhailo Tkach, hat im Interview mit „Armee TV" über die russischen Attacken gesprochen. Ihm zufolge geben die Invasoren ihre Angriffsversuche in Richtung Kramatorsk in der Ostukraine trotz der dortigen Verteidigung nicht auf. | • | Deutschland hat der Ukraine bereits über 60 Flugabwehrpanzer des Typs Gepard geliefert. Das sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, Journalisten in Kiew, wie die Agentur Interfax-Ukraine meldet. Deutschland liefere zudem weitere Flugabwehrsysteme des Typs Iris-T. „Sieben sind bereits eingetroffen, das achte wird geliefert", sagte Makeiev. | • | Die russische Armee soll eine Lenkbombe auf den Industriebezirk der Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine abgeworfen haben. Dies berichtete der Bürgermeister Ihor Terechow auf Telegram. Demnach wurde auch eine medizinische Einrichtung getroffen. Es gebe sieben Verletzte und einen Toten. | • | Einwohner Donezks haben Videos veröffentlicht, auf denen zu sehen ist, dass die von Russland besetzte Stadt im Osten der Ukraine in Rauch gehüllt ist. Der Leiter des Zentrums für die Untersuchung der Besatzung, Petro Andruschenko, teilte auf Telegram mit, dass ukrainische Schläge Stützpunkte der russischen Armee und die Eisenbahninfrastruktur getroffen haben sollen. | • | Die russische Zentralbank hat ihren Leitzins angesichts der nachlassenden Inflation und einer schwächeren Konjunktur gesenkt. Der Zinssatz werde von 20 auf 18 Prozent zurückgenommen, teilten die Währungshüter am Freitag mit. Putin hatte sein Land nach der Ukraine-Invasion vor rund dreieinhalb Jahren auf Kriegswirtschaft umgestellt. Das brachte das Preisgefüge nachhaltig durcheinander. | | | | | Der ukrainische Präsident Selenskyj wollte die Unabhängigkeit von Korruptionsermittlern abschaffen. Proteste verhinderten das. Eine Expertin erklärt, warum er dennoch Vertrauen verloren hat. | | | | In der Armee kommt Ukrainerinnen eine immer wichtigere Rolle zu. Sie stehen an der Front, organisieren die Logistik der Ausrüstung – und kämpfen für mehr Anerkennung. Wir haben zwei von ihnen begleitet. | | |
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