Ein Newsletter zum Krieg in der Ukraine - direkt aus dem Tagesspiegel-Newsroom.
Liebe Leserinnen und Leser, | | wenige Wochen ist die russische Sommeroffensive nun alt. Einige Dörfer haben die Russen eingenommen, das musste auch der ukrainsiche Generalstab zugeben. Doch stehen Kosten und Nutzen im Verhältnis? | | Der unabhängige russische Militäranalyst Ian Matveev geht nicht davon aus, dass die Offensive zu einem großen Durchbruch führen wird. Das russische Militär sei nicht in der Lage, komplexe Operationen in der Ukraine durchzuführen, sagt er der „Washington Post". Gründe dafür seien unter anderem unzureichende geheimdienstliche Informationen, mangelnde Rüstung – und auch Korruption. | | Die Massenangriffstaktik sei „die einzige, wozu das russische Militär momentan in der Lage ist", sagt Matveev. „Das ist völlig unmenschlich, weil tatsächlich tote Menschen gegen Geländegewinne eingetauscht werden." Das liege daran, dass die russische Armee derzeit viele Soldaten habe – diese aber nicht ausreichend trainiert worden seien. | | Die Eindrücke, die Matveev schildert, vervollständigen das Bild, das russische Militärblogger und Medienberichte zeichnen. Ein Bild, das eine problematische Militärkultur darstellt, in der Generäle falsche Behauptungen über eroberte Orte aufstellen, Truppen ohne Überlebenschance in den „Fleischwolf" schicken und Logistikprobleme an der Front zum Tod von verwundeten Soldaten führen. | | Ein weiteres Problem ist dem Bericht zufolge die Finanzierung von Rüstung, obwohl Kremlchef Wladimir Putin 40 Prozent seines Budgets für Krieg und Sicherheit ausgibt. Soldaten an der Front berichten der „Washington Post", dass sie auf Online-Spenden angewiesen seien, um unter anderem Drohnen, schusssichere Westen, Handys, Fahrzeuge und Erste-Hilfe-Ausrüstung zu erhalten. | | Problematisch sei dies deshalb, weil die russischen Spender immer weniger Geld bereitstellen würden – worunter die Soldaten leiden. Das Ergebnis sind niedrige Moral und Desertationen. Oder im Extremfall: übermäßiger Alkohol- und Drogenkonsum. Ein Teufelskreis, dem Putin nur mit neuen Rekrutierungen zu entkommen weiß. | | Die wichtigsten Nachrichten des Tages | | • | Deutschlands Außenminister Johann Wadephul ist zum Antrittsbesuch in die Ukraine gereist. Begleitet wurde er von Vertretern der deutschen Rüstungsindustrie. „Unsere Rüstungszusammenarbeit ist ein echter Trumpf", sagte Wadephul bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Außenminister Andrij Sybiha in Kiew. Mehr dazu hier. | • | Angesichts massiver russischer Luftangriffe machte sich Außenminister Wadephul ein Bild von den Schäden in der Ukraine. In der Hauptstadt Kiew ließ er sich zunächst einen Standort der mobilen Luftverteidigung zeigen. Im Anschluss besuchte Wadephul im Stadtteil Solomjanska ein durch Luftangriffe Mitte Juni beschädigtes Wohnhaus, in dem auch eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft lebt. | • | Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Deutschland beim Besuch von Außenminister Wadephul um die Lieferung weiterer Iris-T-Flugabwehrsysteme gebeten. Deutschland hatte der Ukraine mit Stand April sechs dieser Systeme zur Verfügung und weitere zehn in Aussicht gestellt. | • | Der russische Inlandsgeheimdienst FSB soll vermehrt ukrainische Jugendliche für Spionage- und Sabotageakte gegen das eigene Land rekrutieren. Das berichten die US-amerikanischen Nachrichtenseiten „New York Times" und „Financial Times" unter Berufung auf Angaben des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU). Mehr dazu hier. | • | Die Bundesregierung rechnet noch in dieser Woche mit einer endgültigen Zustimmung der 27 EU-Staaten zum vorgelegten 18. Sanktionspaket gegen Russland. Es sei sowohl die Erwartung als auch die Hoffnung, dass dies nach einem Besuch von Vertretern der EU-Kommission in der Slowakei gelingen werde, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius. | • | Der Kreml hat die Möglichkeit von Verhandlungen mit der Ukraine unter dem Druck neuer Sanktionen abgelehnt. Sprecher Dmitri Peskow erklärte, dass selbst das geplante Sanktionspaket der EU Moskau nicht dazu zwingen werde. „Nur Logik und Argumente können Russland an den Verhandlungstisch bringen. Es ist unmöglich, Russland mit Druck oder Gewalt zu zwingen", zitiert die Nachrichtenagentur Tass Peskow. | • | Russische Streitkräfte rücken Staatsmedien und Kriegsbloggern zufolge im Osten der Ukraine immer weiter vor. Demnach nahmen sie eine erste Ortschaft in der zentral-östlichen Region Dnipropetrowsk ein: das Dorf Dachnoje. Eine Bestätigung von ukrainischer Seite oder vom Verteidigungsministerium in Moskau lag zunächst nicht vor. | • | Eine Kolonne mit mehr als 15 Militärlastwagen mit tschetschenischen Einheiten soll aus Russland in der besetzten Stadt Mariupol eingetroffen sein. Dies teilte der ehemalige Berater des Bürgermeisters, Petro Andriushchenko, auf Telegram mit. Ihm zufolge sollen die Kämpfer in die Oblast Saporischschja verlegt werden. | • | Im Gebiet Pokrowsk im Osten der Ukraine setzen russische Truppen angeblich Drohnen auch dazu ein, verbotene Gase abzuwerfen. Dies sagte der stellvertretende Kommandeur des Bataillons der 68. Jägerbrigade nach Darstellung der Nachrichtenseite „Armyinform". | • | Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat bei einem Besuch in Dänemark die aus seiner Sicht deutlich stärkere Rolle Deutschlands bei der militärischen Überwachung der Ostsee hervorgehoben. Pistorius verwies in diesem Zusammenhang auf wachsende Gefahren für die Sicherheit auf See durch Russland. | • | Die Europäische Union und die Ukraine haben sich auf ein Handelsabkommen für Agrarprodukte geeinigt. Es legt neue Obergrenzen für die zollfreie Einfuhr von Produkten wie Weizen, Geflügel, Mais und Honig fest, wie EU-Handelskommissar Maros Sefcovic am Montag mitteilte. Das Abkommen soll eine Übergangsvereinbarung ablösen, die seit Anfang Juni in Kraft ist. | | | | | Eine große Mehrheit befürwortet angesichts von Putins Kriegen das Fünf-Prozent-Ziel. Linkspartei, AfD, BSW und der linke Flügel der SPD liegen mit ihrer Hoffnung auf Erfolg mit Anti-Militär-Populismus daneben. | | | | Schläge, Vergewaltigung, Elektroschocks im Genitalbereich: Aus russischen Folterlagern werden immer neue Gräueltaten bekannt. Ein Überlebender und ein Menschenrechtler berichten. | | |
Kommentare
Kommentar veröffentlichen